Arnstadt/Weißensee. Wandern, Radeln, Musizieren: Französisches Ensemble Pygmalion sucht den Kontakt zum Publikum in Thüringen

Ganz volksnah sind das Ensemble Pygmalion und sein charismatischer Dirigent Raphaël Pichon jetzt auf „musikalischer Pilgerreise“ quer durch Thüringen zu erleben. Die ruhmreiche Alte-Musik-Formation aus Bordeaux rekonstruiert vom 11. bis 17. Mai jene Reise, die der junge Johann Sebastian Bach anno 1705 von Arnstadt aus antrat. Und wer möchte, darf dabei sein: zu Fuß, mit dem Fahrrad, beim Parkfest oder in vier Konzerten.

Für Projekte dieser Art legt Christoph Drescher sich gern ins Zeug. Der scheidende Chef der Thüringer Bachwochen präsentierte Pichon & Co. vor drei Wochen zum Abschluss des Festivals und freute sich mit ihnen, wie ihre h-Moll-Messe in der fast ausverkauften Weimarhalle mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Die Idee zur „Pilgerreise“ sei schon mitten im Corona-Lockdown 2021 entstanden, erzählt er nun.

Kulturlandschaft besser kennenlernen

Pichon trug ihm den Wunsch vor, jene Kulturlandschaft, die sein Musik-Idol so tief geprägt hat, näher kennenzulernen, und rasch stand fest: So wie der 20-jährige Bach sich per pedes auf den 450 Kilometer langen Weg nach Lübeck machte, um den Star-Organisten jener Tage, Dietrich Buxtehude, zu besuchen, so tun seine Interpreten es ihm heute – in überschaubaren Etappen – nach.

Los geht‘s recht konventionell am Sonnabend, 11. Mai, mit einem Konzert in der Arnstädter Oberkirche, doch anderntags schon heißt es Schusters Rappen schnüren zum Spaziergang ins vier Kilometer entfernte Dornheim, wo nachmittags im Kirchlein St. Bartholomäus eine Hochzeitsmusik erklingt. Doch ab Montag strapazieren die Künstler lieber die Waden als ihre Stimmbänder: zu Fuß ab Arnstadt gen Erfurt und am Dienstag per Drahtesel bis Weißensee.

Kantaten zur muskulären Erholung

Drei Bach-Kantaten in der dortigen Kulturkirche verhelfen am Mittwochabend zur muskulären Erholung, am Donnerstag folgt die zweite Radetappe von Sondershausen nach Wolkramshausen, wo im Rittergut Hue de Grais ein musikalisches Parkfest angerichtet wird. Ein Konzert am Freitag (17. Mai) schließt in der Arnstädter Bachkirche mit zwei Missae breves den ersten Teil der Reise ab.

So ergeben sich für Raphaël Pichon, seine Sänger und Musiker viele entspannte Gelegenheiten, mit Land und Leuten in Kontakt zu kommen. Zudem möchte der Dirigent eine – nicht öffentliche – Probe der Augustinerkantorei leiten und musiziert, wie‘s der gute Ton für solche sozialen Projekte gebietet, mit Pygmalion an ungewöhnlichem Ort: für Insassen der Jugendstrafanstalt Arnstadt – freilich in geschlossener Veranstaltung.

Zweiter Teil der Tour soll nach Lüneburg führen

Drescher scheut weder Müh‘ noch Aufwand, kümmert sich um Leihräder und kundige Begleitung durch ADFC-Guides und mutmaßt dennoch, dass die meisten Gäste nur bei einzelnen Etappen mitgehen oder -fahren wollen; vier feine Konzerte hingegen kosten keine Kalorien. Für die Radtouren empfiehlt Drescher eine kurze Online-Anmeldung und den besonders Tapferen einen Festivalpass. Der zweite Teil der Bachschen Tour gen Lübeck soll 2026 vom Harzrand nach Lüneburg führen, der dritte dann zum Ziel.

Über Bachs damalige Route wissen wir nur wenig. Der „junge Wilde“ bat die Arnstädter Kirchenoberen um vier Wochen Urlaub und einen Vetter, ihn derweil an der Orgel zu vertreten. Dass er nach vier Monaten erst heimkehrte, trug ihm eine strenge Rüge ein...

Tickets und Infos: www.thueringer-bachwochen.de