Elena Rauch bekommt Nachhilfe vom Fahrlehrer

Ich bekam Post. Es war ein sog. Knöllchen, ich war 15 km/h zu schnell unterwegs. Ärgerlicher war nur noch, dass das Schreiben meinem Mitbewohner umgehend in die Hände fiel, ein Augenblick der Unachtsamkeit. Ich weiß, sagte ich schuldbewusst, du hast recht, das ist undiszipliniert und fahrlässig, ich habe das Bußgeld verdient.

Dafür war das Beweisfoto schön. Ein Großteil verbarg sich hinter der Sonnenbrille, aber was auf dem verschwommenen Bild zu sehen war, fand ich auf den ersten Blick erstaunlich gut getroffen. So jung und dynamisch kam ich schon lange nicht auf einem Foto rüber. Dann dachte ich nach. Der Blitzer stand irgendwo in Hessen, wo ich am besagten Sonntag nie und nimmer nicht gewesen sein konnte. Klar, fiel mir ein, das war meine Tochter, mit der ich gelegentlich Carsharing betreibe. Das erklärte den überaus gelungenen Schnappschuss. Schade eigentlich.

Siehst du, rief ich triumphierend, ich war’s gar nicht! Aber du hättest es durchaus sein können, dozierte mein Mitbewohner streng und nutzte die Gelegenheit zu einem Exkurs über die Bedeutung von Straßenschildern. Das tut er gern, vor allem, wenn ich am Steuer sitze. Mal fahre ich zu langsam, mal zu schnell, mal blinke ich nicht rechtzeitig, dann bin ich zu weit rechts oder zu nah an der Mittelspur oder biege falsch ab, irgendwas ist immer. Ich frage mich, wo der Prüfer seine Augen hatte, als ich vor 30 Jahren meine Fahrerlaubnis machte. Mein Mitbewohner nimmt seine pädagogische Rolle als Beifahrer sehr ernst. Ich gebe zu, manchmal nervt es ein klitzekleines bisschen, aber ich weiß das zu schätzen, er meint es nur gut.

Kürzlich las ich von einer Umfrage, demnach fühlen sich Frauen im Straßenverkehr unsicherer als Männer. Wenn Sie mich fragen, wird das so bleiben, bis die Autoindustrie endlich den schweigenden Beifahrer erfunden hat.