Berlin. Ausgrabungen zeigen: Bereits Frühmenschen nutzen fortschrittliche Werkzeuge und Waffen. Viele davon wurden in Deutschland gefunden.
Das Mekka für frühzeitliche Holzgeräte liegt im niedersächsischen Schöningen. Bis zu 300.000 Jahre alte hölzerne Relikte sind im Forschungsmuseum im Braunschweiger Land ausgestellt. Sie gelten als die ältesten vollständig erhaltenen Holzwerkzeuge der Welt. Eine neue Auswertung der Fundstücke liefert nun ungeahnte Erkenntnisse in die Handwerkskunst früher Menschen.
Lesen Sie auch: Forschende entdecken 300.000 Jahre alte Fußabdrücke
Seit der Entdeckung eines Wurfstabs 1994 heben Wissenschaftler an der Schöninger Fundstelle regelmäßig archäologische Funde aus dem Boden. Die gut 77 Zentimeter lang Waffe hat einen Durchmesser von 2,5 Zentimetern und weist an beiden Enden angeschärfte Spitzen auf. Größere Bekanntheit erlangte die archäologische Fundstelle bei Schöningen jedoch erst durch die Entdeckung von 1,8 bis 2,5 Meter langen Holzspeeren, die vermutlich vom Homo heidelbergensis, dem Vorfahren des Neandertalers, hergestellt wurden.
Mittlerweile beherbergt das Museum an der Schöninger Fundstelle 187 Holzartefakte, davon mindestens 20 Jagdwaffen und 35 weitere Werkzeuge. Genutzt wurden die Gerätschaften wahrscheinlich für die Arbeit mit Tierhäuten und Fellen. Unter der Leitung von Dirk Leder vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege wurden die Artefakte jetzt in einer Studie untersucht, die in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften („PNAS“) veröffentlicht wurde.
Jagdwaffen und Holzwerkzeuge zeugen von ausgereifter Handwerkskunst
Die Untersuchungen ergaben, dass es sich bei den Jagdwaffen nicht einfach um „Stöcke mit Spitzen“ handelte, wie die Forschungsgruppe um Leder in ihrer Studie schreibt, sondern um „technisch fortschrittliche Werkzeuge”. Schon das Material zeugt von technischem Geschick: Wie die Forscher berichten, wurden die Werkzeuge vor allem aus Fichtenholz hergestellt, gelegentlich aber auch aus Kiefer und Lärche – Materialien, die die Frühmenschen gezielt aus kühleren Regionen, etwa aus den Höhenlagen des nahen Harzes, holten, weil sie wussten, dass das Holz der dort langsamer wachsenden Bäume besonders hart ist.
- Südamerika: Jahrhundertschatz in Wrack vermutet – Bergung steht bevor
- Ägypten: Archäologen graben gewaltige Ramses-Statue aus
- Italien: Forscher in Pompeji decken Geheimnis an alter Baustelle auf
- Archäologie: Deutscher findet untergegangene Zivilisation – mit Drohne statt Machete
- Sklaven: Fund in Pompeji beweist „schockierende“ Zustände
Auch die Verarbeitung der Werkzeuge war fortschrittlich: Ausgewählte Stämme wurden sorgfältig zu Speeren und Wurfhölzern geformt, beschädigte Objekte wiederum repariert oder recycelt. Mithilfe von 3D-Mikroskopen konnten die Forschenden zudem feststellen, dass die frühen Menschen die Rinde von Ästen entfernten, Teile der Oberfläche abschliffen und das Holz trockneten, um Schäden zu vermeiden. Erstmals konnte für diese Zeit auch die Anwendung der Spalttechnik nachgewiesen werden.
Vorfahren der Neandertaler: Meisterhafte Holzbearbeitung vor Hunderttausenden Jahren
Die Holzgeräte wurden an einem Seeufer gefunden, wo sie zusammen mit Steinwerkzeugen und Tierknochen in etwa zehn Metern Tiefe begraben lagen. Nach Ansicht der Forscher stammen die Werkzeuge wahrscheinlich vom Homo erectus, aus dem sich in Europa der Neandertaler und parallel dazu, aber unabhängig davon, in Afrika der anatomisch moderne Mensch entwickelt hat. Die Werkzeuge deuten darauf hin, dass der Vorfahre des Neandertalers bereits über erstaunliche Kenntnisse in der Holzbearbeitung verfügte.
Auch interessant:Archäologie: Dieser Schädel stellt die Evolutionsgeschichte auf den Kopf
ew