Unterwellenborn. Guido Berg denkt über gutes und schlechtes Gebäude-Karma nach und glaubt, dass da gegebenenfalls was zu machen ist.

Ein Gebäude kann ein gutes oder ein schlechtes Karma haben. Wobei das keine Eigenschaft des Hauses selbst ist. Es ist etwas in den Köpfen der Menschen, das ihr Verhältnis zu dem Gemäuer bestimmt. Die gute Nachricht: Ist dieses Verhältnis schlecht, kann man etwas tun.

So hat die Verhüllung des Reichstages in Berlin durch Christo und Jeanne-Claude im Sommer 1995 aus schlechtem Karma gutes Karma gemacht. Ich war dabei und kann es bezeugen: Der Reichstag war hinterher nicht mehr der, der er vorher war - in meinen Augen und in den Augen vieler.

Muss das deshalb weg?

Wo ich hin will: Der Kulturpalast in Unterwellenborn, der größte Kulturpalast der ehemaligen DDR, scheint auch unter schlechtem Karma zu leiden. Anders ist sein von allen Entscheidungsträgern gewolltes Siechtum und folglich Verschwinden nicht zu erklären. Ich frage mal geradeheraus: Ist da zu viel DDR dran? Klebt das am Gemäuer? Muss das deshalb weg?

Hier ein Denk-Tipp für alle, die sich diesbezüglich mal ehrlich machen wollen: Der Kulturpalast in Unterwellenborn wurde nicht von „der DDR“ gebaut. Sondern von Menschen, die die gerade im fernen Berlin gegründete DDR gar nicht kannten. Die nichts wussten vom Mauerbau, vom Siechtum einer nicht funktionierenden Ökonomie.

Diese Menschen waren den Schützengräben, den Luftschutzbunkern und dem Nachkriegshunger gerade so entronnen und froh, aufbauen zu können statt zu zerstören. Es sind die Hoffnungen und der Schweiß der Großeltern und Eltern der heute Lebenden, die an dem Bau haften. Das ehren wir, wenn wir den Kulturpalast retten. Nicht die untergegangene DDR.

OTZ-Reporter Guido Berg
OTZ-Reporter Guido Berg © OTZ | Lutz Prager