Erfurt/Weimar. Olivia Vieweg, Comiczeichnerin aus Thüringen, bringt mitreißende Graphic Novel über Fankultur heraus. Ein britischer Schauspieler und Star Trek sind die Inspiration.

Kreischende Menschen, kilometerlange Schlangen vor der Signierstunde – mit diesen Dingen verbindet man das „Fan sein“. Besonders Teenager werden mit dem Bild der anhimmelnden Fans verbunden, aber auch Erwachsene wollen ihren Stars nah sein und diese unterstützen. In der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“ von der Weimarer Autorin Olivia Vieweg trifft der Leser auf drei erwachsene Riesenfans. Auch sie himmeln ihren Star an – Allan, Schauspieler in der Krise und auf der Suche nach besseren, größeren Rollen. Allerdings bringen die Fangirls ihre Anerkennung etwas unkonventioneller zum Ausdruck: Sie entführen ihn. Er soll selbstgeschriebene Happy Ends mit ihnen nachstellen! Noch dazu erpressen die jungen Frauen ihn, damit er auch wirklich mitmacht und nicht flüchtet. Entführung, Erpressung, eine alte deutsche Spielzeugfabrik und mittendrin entwickeln sich komplizierte Gefühle – in der Fantasie und der Realität.

Olivia Vieweg ist eine Comic-Zeichnerin aus Weimar. Zuletzt hat sie ihre Graphic Novel „Fangirl Fantasy“ veröffentlicht.
Olivia Vieweg ist eine Comic-Zeichnerin aus Weimar. Zuletzt hat sie ihre Graphic Novel „Fangirl Fantasy“ veröffentlicht. © Carlsen Verlag | Philipp Höfer

Die Autorin von „Fangirl Fantasy“, Olivia Vieweg, hat sich zwar keine der Hauptfiguren auf den Leib geschrieben, dennoch sieht sie sich selbst ein bisschen in allen drei Fangirls. „Ich bin natürlich auch jemand, der sich total begeistern lässt und Sachen ewig lang hinterherjagen kann.“ Die Figur der Ashley sei in dieser Hinsicht sehr konfrontativ und fange Diskussionen an, Kate wolle professioneller werden und das Fan-Sein eigentlich hinter sich lassen. Und dann ist da noch Lia, die sich geradezu Hals über Kopf in Allan verliebt.

Hauptcharakter ist von bekanntem britischem Schauspieler inspiriert

Auf die Frage, welchen Promi denn die Autorin selbst besonders mag, antwortet sie: „Das wechselt immer ein bisschen.“ Doch einer ihrer Lieblingsschauspieler ist sogar die Vorlage für Allan. Martin (Freeman) wird sogar in der Danksagung erwähnt. „Er hat solche Erfahrungen selbst gemacht, teilweise auch schlimme, mit extrem übergriffigen Fans“, erklärt Olivia Vieweg. „Andererseits ist es ja auch schön, wenn man Rückhalt durch die positiven Fans hat. Ich glaube, diese Ambivalenz hat bei Martin Freeman total gut gepasst.“ Dann fügt sie noch grinsend hinzu: „Und ich zeichne ihn auch gerne.“

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Die Idee für die Graphic Novel hat ihr aber nicht nur Martin Freeman verschafft. Sie ist außerdem großer Star-Trek-Fan. In den 1960er-Jahren gab es mit der Science-Fiction-Serie den ersten großen Hype, sie hatte Fans auf der ganzen Welt. Besonders der Schauspieler von Spock (Leonard Nimoy) hatte mit der plötzlichen Aufmerksamkeit der Fans große Probleme, erzählt die Künstlerin. Nimoy schrieb eine Biografie mit dem Titel „I am not Spock“. Das nahmen ihm die Fans sehr übel, da sie das Buch als Ablehnung sahen. Der Schauspieler veröffentlichte bald daraufhin eine weitere Biografie, in der er mehr auf die Erfahrungen mit den Fans eingeht: „I am Spock“. „Dass man als Künstler mit spezifischen Rollen so extrem identifiziert wird, dass es zu Problemen führt, man es eventuell auch hasst und dennoch nicht der Liebe der Menschen entkommen kann – ich glaube, das ist die Ursprungsidee hinter ,Fangirl Fantasy‘“, fasst Olivia Vieweg zusammen.

Von Fans entführt: Protagonist muss Filmszenen in Thüringer Spielzeugfabrik nachspielen

Der Schauspieler Allan wird von Fans entdeckt – seine Meinung zu diesen scheint eher negativ zu sein.
Der Schauspieler Allan wird von Fans entdeckt – seine Meinung zu diesen scheint eher negativ zu sein. © Carlsen Verlag
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“.
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“. © Carlsen Verlag
Allan ist nicht besonders glücklich damit, wie seine Karriere abläuft.
Allan ist nicht besonders glücklich damit, wie seine Karriere abläuft. © Carlsen Verlag
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“.
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“. © Carlsen Verlag
Allan wird in „Fangirl Fantasy“ von drei Frauen entführt und in einer Spielzeugfabrik mitten im Wald festgehalten.
Allan wird in „Fangirl Fantasy“ von drei Frauen entführt und in einer Spielzeugfabrik mitten im Wald festgehalten. © Carlsen Verlag
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“.
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“. © Carlsen Verlag
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier aus einem Superheldenfilm.
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier aus einem Superheldenfilm. © Carlsen Verlag
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier eine historische Romanze.
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier eine historische Romanze. © Carlsen Verlag
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier aus einer Science-Fiction-Serie.
Er spielt verschiedene Szenen mit den Fangirls nach: hier aus einer Science-Fiction-Serie. © Carlsen Verlag
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“.
Ausschnitt aus der Graphic Novel „Fangirl Fantasy“. © Carlsen Verlag
Das Cover von „Fangirl Fantasy“ – Die Graphic Novel von Olivia Vieweg ist Ende Mai erschienen.
Das Cover von „Fangirl Fantasy“ – Die Graphic Novel von Olivia Vieweg ist Ende Mai erschienen. © Carlsen Comics
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Das Setting der Graphic Novel liegt örtlich etwas näher an uns. Die Weimarerin versucht, in ihren Werken einen lokalen Bezug herzustellen. In der Graphic Novel „Endzeit“ kämpfen sich die Protagonisten zum Beispiel in der Nähe von Weimar durch eine Zombieapokalypse. In „Fangirl Fantasy“ ist es eine Spielzeugfabrik im Thüringer Wald. „Mit dem Mauerfall ist sie ziemlich kaputtgegangen. Es fielen mit Schließung der Fabrik viele Jobs weg und zusätzlich ist es tragisch, weil es um Spielzeug und Kindheit geht.“ Das spiegelt sich auch in ihren Zeichnungen wider: Die Fangirls verschleppen ihren Star in diese Fabrik, wo Spielzeug traurig in dunklen Ecken liegt. Es symbolisiere auch die Unbeschwertheit der Fangirls, die langsam zu Ende geht. Damit hat besonders die Ärztin Kate zu kämpfen. Zu Beginn der Geschichte sagt sie deutlich, dass sie das Fan-sein nicht mit Professionalität in ihrem Job zusammenbringen kann. Deswegen wolle sie ihre Fantasien jetzt noch ausleben.

Ausflug in verschiedene Genres innerhalb einer Geschichte

Allan muss mit seinen Fans selbstgeschriebene Szenen nachstellen – unter anderem aus einem Science-Fiction-Film.
Allan muss mit seinen Fans selbstgeschriebene Szenen nachstellen – unter anderem aus einem Science-Fiction-Film. © Carlsen Verlag

Allan muss also mit Kate und den anderen beiden Frauen drei Geschichten mit unterschiedlichen Genres spielen: Lia hat sich in eine historische Romanze mit Allan geschrieben, Kate in eine Superheldengeschichte und Ashley in eine Art Star-Trek-Film. Haben diese Szenen Lust auf ganze Graphic Novels in dem einen oder anderen Stil gemacht? „Wenn mir jemand sagt: ,Schreib uns mal eine neue Star-Trek-Serie‘, dann wäre ich sofort an Bord“, antwortet Olivia Vieweg grinsend. Einen Superheldencomic könne sie sich nicht vorstellen, „aber so eine historische Romanze... Das macht schon Spaß, die übersteigerten Gefühle und den Kitsch rauszulassen.“ Konkrete Pläne für eine nächste Geschichte in diesen Genres habe sie nicht: „Aber man weiß ja nie, wo es einen so hintreibt.“

Jeder, der Fan von etwas ist, findet sich wohl ein bisschen in „Fangirl Fantasy“ wieder – besonders Erwachsene. Die Protagonisten spielen nicht einfach nur, es wird nicht nur gelacht, sondern auch in Probleme eingetaucht. So manche emotionale Szene verleitet zum mitfühlenden Seufzen oder lässt grübeln. Olivia Vieweg stellt sowohl die düsteren als auch die heiteren Augenblicke der zwischenmenschlichen Beziehung in der Fankultur ausdrucksstark dar. An alle Fans hat sie noch ein paar Worte in ihrer Widmung: „Bleibt passioniert, bleibt cringe, aber benehmt euch!“

Olivia Vieweg: Fangirl Fantasy, Carlsen Comics, 272 Seiten, ab 12 Jahren, 26 Euro

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