Berlin. Ein Junge in Schottland hat seltene Artefakte aus dem alten Ägypten gefunden. Forscher haben eine Vermutung, wie sie dorthin kamen.

Im Jahr 1952 hatte ein Junge vor seinem Schulgebäude in Schottland zur Strafe nach Kartoffeln graben müssen. Was genau er angestellt hatte, ist nicht mehr bekannt. Aber was er bei seiner Suche nach den Knollengewächsen dann ausgrub, verblüfft Archäologen noch heute. Im tiefsten Schottland, auf der Halbinsel Fife nahe Edinburgh, fand der Junge den mehr als 3800 Jahre alten Kopf einer Statue aus der legendären 12. Dynastie in Ägypten. Den Kopf aus rotem Sandstein, den Kuratoren später als „Meisterwerk der ägyptischen Bildhauerei“ bezeichnen, verwechselte er zunächst mit einer Kartoffel.

Der kuriose Fund sollte kein Einzelfall bleiben. 1966 fand ein Junge derselben Schule während des Sportunterrichts eine Bronzestatue des im alten Ägypten verehrten Apis-Stieres. Der Aufsicht habende Lehrer war zufälligerweise der Junge, der den ersten Fund 1952 machte. Beide Artefakte wurden kurz nach ihrer Entdeckung dem National Museum of Scotland übergeben.

1984 wurde erneut eine ägyptische Bronzefigur gefunden. Eine Gruppe von Teenagern übergab sie der damaligen Kuratorin des National Museum of Scotland, Dr. Elizabeth Goring. Diese beschloss daraufhin, genauere Nachforschungen anzustellen. Eine dazu vor Kurzem veröffentlichte Untersuchung von Goring und einer Kollegin hat zusammengetragen, welche tragische Geschichte hinter den Schätzen stecken könnte. Die Forschungsergebnisse wurden jüngst im Journal der „Society of Antiquaries“ veröffentlicht.

Archäologen finden bei Ausgrabungen weitere Artefakte vor der Schule

Vor der Umwidmung zur Bildungseinrichtung war die Schule – Fundort aller Relikte – Sitz der Melville Familie – schottische Großgrundbesitzer. Deshalb ist der Fundort bis heute als Melville House bekannt. Für Dr. Goring war klar, dass die Funde um das Melville House aus den verschiedenen Jahrzehnten alle miteinander verbunden sein mussten.

Sie schloss daraus, dass es eine altägyptische Sammlung im Melville House gegeben haben müsse, wie es in einem Beitrag auf der Website der National Museums of Scotland heißt. Eine Ausgrabung vor dem Haus brachte weitere Schätze zutage, darunter den oberen Teil einer Keramikfigur der ägyptischen Göttin Isis sowie eine Keramiktafel, die das Auge des Gottes Horus zeigt.

In der anschließenden Recherche konnten jedoch die ursprünglichen Besitzer der insgesamt 18 Objekte nicht mehr ausgemacht werden, die Funde gingen somit in Museumshand über. Ein Blick in die Geschichte von Melville House veranlasst Dr. Goring jedoch zu einer Vermutung.

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Ägyptische Schätze in Schottland: Tragische Geschichte des mutmaßlichen Besitzers

Demnach könnten die Stücke von Alexander Leslie-Melville, auch bekannt als Lord Balgonie, gesammelt worden sein. Der Erbe des Melville-Anwesens besuchte mit seinen zwei Schwestern 1856 Ägypten, um seine aus seiner Zeit im Krimkrieg angeschlagene Gesundheit zu verbessern. Laut den Forscherinnen sei es zu dieser Zeit für Ausländer sehr üblich gewesen, antike Objekte und Antiquitäten zu ersteigern und mit nach Hause zu bringen. Viele Objekte gelten heute auch als Raubkunst, da sie oft unter Zwang oder durch Betrug in der Zeit des Kolonialismus entwendet wurden.

Lord Balgonie könnte laut Dr. Goring während seiner Zeit in Ägypten eine Sammlung zusammengetragen und zurück nach Schottland verschifft haben. Hier, glaubt sie, wurden die Stücke in einem Nebengebäude des Anwesens untergebracht. Als der junge Lord nur ein Jahr später starb, könnten die Artefakte von den Schwestern in ihrer Trauer schlicht vergessen oder aus der Erinnerung gedrängt worden sein. Als das Nebengebäude schließlich abgerissen wurde, blieben die Artefakte in den Trümmen unbemerkt, vermutet Dr. Goring.

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