Berlin. Bei der Integration von Eingewanderten schneidet Deutschland im internationalen Vergleich gut ab. Aktuelle Politik-News im Blog.

  • Der Bundestag setzt zum zweiten Mal einen Untersuchungsausschuss in dieser Legislaturperiode ein
  • Deutschland erhält gute Noten für Integration von Einwanderern im OECD-Bericht
  • BSW-Parteichefin kritisiert die Haushaltspläne der Ampel
  • Jugendverbände fordern Aus der Schuldenbremse
  • Bundeswehr: Breuer will Frauen bei Wehrpflicht einbeziehen
  • Geleakte NSU-Akten: Hessische Justiz stellt Ermittlungen ein

Im Newsblog halten wir Sie über die wichtigsten bundespolitischen Entwicklungen auf dem Laufenden.

Politik-News vom 4. Juli – Bundestag setzt Untersuchungsausschuss zum Atomausstieg ein

16.55 Uhr: Der Bundestag hat beschlossen, einen Untersuchungsausschuss zur Entscheidung über den Atomausstieg im April 2023 einzusetzen. CDU/CSU und AfD stimmten für den Antrag, während sich SPD, Grüne und FDP enthielten. Die Unionsparteien wollen die Entscheidungsprozesse vor der Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke überprüfen lassen und werfen den Ministerien für Wirtschaft und Umwelt vor, nicht sachgerecht vorgegangen zu sein und relevante Fakten nicht berücksichtigt zu haben, was diese zurückweisen. Die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke bis April 2023 erfolgte aufgrund der Gaslieferungsstopps aus Russland, was Union und AfD bis heute kritisieren.

Der Untersuchungsausschuss soll ein umfassendes Bild der Entscheidungsprozesse zur Energieversorgung nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erarbeiten. Es soll geklärt werden, welche Informationen zur Energieversorgung und nuklearen Sicherheit vorlagen und warum diese möglicherweise nicht berücksichtigt wurden. Zudem wird überprüft, ob die versprochene „ergebnisoffene Prüfung“ durch Wirtschaftsminister Robert Habeck stattfand und ob Bundestag und Öffentlichkeit umfassend informiert wurden. Auch die Aktenführung in den Ministerien wird auf mögliche Erschwernisse für die parlamentarische Kontrolle untersucht. 

OECD-Bericht gibt Deutschland gute Noten für Integration

16.45 Uhr: Deutschland schneidet laut einem OECD-Bericht über den Stand der Integration von Eingewanderten im internationalen Vergleich gut ab. Insbesondere im Bereich der Erwerbstätigkeit und der Sprachförderung bekommt Deutschland gute Noten. Im Jahr 2022 lag die Erwerbstätigenquote bei 70 Prozent, was höher ist als in den meisten anderen EU-Ländern. Auch die Teilnahme an Sprachförderung im Rahmen der Integrationskurse ist deutlich über dem EU-Durchschnitt.

Reem Alabali-Radovan, die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, betonte, dass Deutschland besser abschneidet als sein Ruf und dass der Bericht zur Versachlichung der Migrationsdebatte beitragen könne. Kritik gibt es jedoch am Bildungssystem, das noch nicht ausreichend auf eine Einwanderungsgesellschaft ausgelegt ist, sowie an der Erwerbsintegration von Frauen und Geringqualifizierten.

BSW-Parteichefin sieht Zeichen der Schwäche im Ringen um die aktuelle Haushaltspolitik

13.30 Uhr: BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht sieht in dem Ringen der Ampel-Koalition um den Haushalt für das kommende Jahr ein Zeichen der Schwäche. „Hier gilt offenbar: Erst das Amt, dann das Land“, sagte Wagenknecht unserer Redaktion. „Es ist allein die Angst vor Mandatsverlusten bei Neuwahlen, die dafür sorgt, dass die Ampel jetzt um jeden Preis einen Haushalt zimmert, von dem jeder weiß, dass er teils auf Luftbuchungen beruht.“

Dieser Haushalt werde ein „Abstiegsturbo“ für Deutschland, fügte Wagenknecht hinzu. „Die Bürgerinnen und Bürger werden gemolken, um die Koalition zu retten. Statt in Investitionen in die Zukunft fließt das hart erarbeitete Geld der Steuerzahler in ein unsinniges Heizgesetz, in einen Krieg ohne Ausstiegsszenario und in die unkontrollierte Migration.”

Jugendverbände fordern Aus der Schuldenbremse

9.04 Uhr: In einem Protestbrief an die Bundesregierung fordern die Jugendverbände von SPD und Grünen die Abschaffung der Schuldenbremse. Zusammen mit anderen Verbänden – etwa der DGB-Jugend und der Klimaschutzgruppe Fridays for Future – sprechen sie sich dafür aus, „die Schuldenbremse auszusetzen und sie perspektivisch abzuschaffen“. Das Schreiben ist gerichtet an Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) und liegt der Deutschen Presse-Agentur vor. Zuerst hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.

Die Schuldenbremse dürfe nicht zum „Grabstein unserer Zukunft“ werden, heißt es weiter. Man wehre sich gegen die bevormundende Behauptung, dass die geplanten Kürzungen im Interesse junger Menschen seien. Der Brief mit dem Titel „Sie kürzen unsere Zukunft weg!“ soll laut „Spiegel“ am Vormittag veröffentlicht werden.

Scholz, Lindner und Habeck beraten seit Wochen im zähen Haushaltsstreit der Ampel-Koalition über den Etat für das kommende Jahr. Dabei geht es auch um mögliche Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds – aus diesem Sondertopf finanziert die Bundesregierung Projekte für mehr Klimaschutz. Die SPD dringt darauf, die Schuldenbremse erneut auszusetzen, um mehr Spielraum für Investitionen zu haben. Auch die Grünen sind offen für zusätzliche Kredite. Für die FDP und Finanzminister Lindner kommt das nicht infrage.

Ursprünglich wollte die Regierung den Etatentwurf schon in dieser Woche fertig haben. Jetzt ist der 17. Juli für den Kabinettsbeschluss im Gespräch. Um diesen Termin zu erreichen, ist aber eine baldige Grundsatzeinigung nötig, weil die Ausarbeitung des Haushaltsgesetzes dann in der Regel noch etwa zehn Tage dauert. Heute werden Verhandlungen notfalls bis tief in die Nacht erwartet.

Bundeswehr: Breuer will Frauen bei Wehrpflicht einbeziehen

6.45 Uhr: Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, würde bei einer Reaktivierung der Wehrpflicht auch Frauen in die Pflicht nehmen. „Wir haben im Moment eine ausgesetzte Wehrpflicht, die laut Grundgesetz allein auf die männliche Bevölkerung zielt. Hier sollte man Gleichberechtigung herstellen – aber dazu brauchen wir erst eine entsprechende politische und gesellschaftliche Diskussion“, sagte Breuer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Deutschland müsse kriegstüchtig sein. 

Laut Statista betrug der Frauenanteil 2023 in der Bundeswehr 13,43 Prozent.
Laut Statista betrug der Frauenanteil 2023 in der Bundeswehr 13,43 Prozent. © dpa | Unbekannt

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im Juni Pläne für ein neues Wehrdienstmodell für die Bundeswehr vorgestellt. Das neue Modell soll aus Grundwehrdienst von sechs Monaten mit einer Option für zusätzlichen freiwilligen Wehrdienst bis zu zusätzlichen 17 Monaten bestehen. Dazu soll eine verpflichtende Erfassung eingeführt werden, in der junge Männer ihre Bereitschaft und Fähigkeit zu einem Wehrdienst benennen müssten. Junge Frauen könnten dies auch tun. 

Breuer sprach sich für Pistorius‘ Modell aus. „Militärisch betrachtet brauchen wir eine Aufwuchsfähigkeit, nicht zuletzt mit Blick auf die Planungen der Nato.“ Deutschland sei die zentrale Drehscheibe für das Bündnis. „Insgesamt liegt unser Bedarf bei über 400.000 Zeit- und Berufssoldaten sowie Reservisten. Um diesen Bedarf zu decken, brauchen wir ungefähr 100.000 Reservisten zusätzlich“, sagte der Generalinspekteur. Dies könne das neue Modell zunächst decken. Aber: „Ganz ohne verpflichtende Anteile wird es dabei nicht gehen.“

Generalinspekteur Carsten Breuer unterstützt die Wehrdienst-Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Generalinspekteur Carsten Breuer unterstützt die Wehrdienst-Pläne von Verteidigungsminister Boris Pistorius. © Kay Nietfeld/dpa | Unbekannt

Die Wehrpflicht war 2011 in Deutschland unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Das kam einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich.

Geleakte NSU-Akten: Hessische Justiz stellt Ermittlungen ein

6.40 Uhr: Die Justiz in Hessen geht nicht mehr der Frage nach, wer dafür gesorgt hat, dass die Plattform „Frag den Staat“ und das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann geheime NSU-Akten veröffentlichen konnten. Die Ermittlungen wegen Geheimnisverrats wurden ergebnislos eingestellt, wie eine aktuelle Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz durch „Frag den Staat“ ergab.

Das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann veröffentlichte in Kooperation mit „Frag den Staat“ die geheimen NSU-Akten.
Das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann veröffentlichte in Kooperation mit „Frag den Staat“ die geheimen NSU-Akten. © Rolf Vennenbernd/dpa | Unbekannt

Bei den geleakten Dokumenten handelte es sich um Akten des hessischen Verfassungsschutzes. Die Behörde hatte eigene Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) untersucht.

Der Bericht aus dem Jahr 2014 war zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert. Angehörige der Opfer des NSU, zahlreiche Politikerinnen und Politiker sowie mehr als 130.000 Unterzeichner einer Petition hatten jedoch über Jahre gefordert, den Bericht öffentlich zugänglich zu machen. Die vom Staat versprochene vollständige Aufklärung zum NSU könne es nur geben, wenn der Verfassungsschutz seine Untersuchung veröffentlicht, hieß es.

Der NSU hatte über Jahre hinweg unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer der Rechtsterroristen waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Die Gruppe wurde 2011 durch eine Selbstenttarnung bekannt.

Woher „Frag den Staat“ und das „ZDF Magazin Royale“ die Papiere bekommen haben, ist bislang nicht bekannt. Unmittelbar nach der Veröffentlichung der NSU-Akten stellte der hessische Verfassungsschutz Strafanzeige beim Landeskriminalamt in Wiesbaden. Als Grund gab die Behörde die „unrechtmäßige Weitergabe von Verschlusssachen“ an. Damit bestätigte sie auch indirekt die Echtheit der veröffentlichten Akten. Die Staatsanwaltschaft teilte nun auf Anfrage von „Frag den Staat“ mit, das Ermittlungsverfahren sei im Juni 2023 eingestellt worden, nachdem keine tatverdächtige Person ermittelt werden konnte.

Politik-News vom 3. Juli – Weselsky spricht sich für Wagenknecht-Partei BSW aus

10.18 Uhr: Der Eisenbahngewerkschafter Claus Weselsky lässt Sympathien für die Wagenknecht-Partei BSW erkennen. Er verzweifele derzeit an der Frage: „Wen soll man denn eigentlich wählen?“, sagte Weselsky dem „Zeit Magazin“ laut Vorabmeldung vom Mittwoch. Er ergänzte: „Ich freue mich über das Bündnis Sahra Wagenknecht, wenigstens das kann ich sagen.“ Obwohl er immer noch CDU-Mitglied sei, hadere er mit der Union, „nachdem meine Kanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungszeit alles getan hat, um das Streikrecht auszuhöhlen“.

Ex-Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist Parteivorsitzende des BSW.
Ex-Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht ist Parteivorsitzende des BSW. © Fabian Sommer/dpa | Unbekannt

An der AfD übte Weselsky scharfe Kritik – zeigte aber Verständnis für die Motive ihrer Wähler. Er finde den Aufstieg der AfD „scheußlich, aber ich verstehe ihn: Seit Jahren stempeln wir Wähler als Trottel ab, weil sie sich dagegen wehren, dass das Land aus dem Elfenbeinturm regiert wird“, sagte der GDL-Chef. „Ich finde die Reaktion der Wähler normal. Ich hasse es, wenn Menschen unterstellt wird, dass sie blöde seien.“

Er selbst habe die AfD „anfangs mal als wirkliche Alternative betrachtet, da waren ehrenwerte Menschen engagiert“, sagte er. „Dann kam diese Radikalisierung, die schlimm ist.“ Auf die Frage, ob er selbst Populist sei, antwortet Weselsky: „Natürlich! Ich bin populistisch. Was glauben Sie, wie Sie 40.000 Mitglieder in Wallung versetzen? Als Schlaftablette, oder was?“

Claus Weselsky ist Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Claus Weselsky ist Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). © Carsten Koall/dpa | Unbekannt

Claus Weselsky ist seit 2008 Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). In seine Zeit fallen mehrere wegen ihrer Dauer umstrittene Bahnstreiks. Im Herbst geht der 65-Jährige in Rente.

Caritas-Präsidentin: Zukunft der Pflege birgt demographischen und sozialen Sprengstoff

8.10 Uhr: Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, hat die Bundesregierung aufgefordert, zur Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung Wohlhabende stärker zu belasten. „Die Zukunft der Pflege birgt erheblichen demographischen und sozialen Sprengstoff“, sagte Welskop-Deffaa dieser Redaktion. „Die Bundesregierung darf diese Riesenaufgabe nicht einfach in die nächste Legislaturperiode schieben.“

Entscheidend werde sein, die Pflegekosten der Babyboomer nicht als Last allein auf die junge Generation zu schieben. „Zu einem fairen Risikoausgleich gehört, die leistungsfähigen Senioren und Seniorinnen solidarisch zu beteiligen“, sagte die Caritas-Präsidentin. „Es kann nicht sein, dass die Pflegeversicherung zuvörderst das Vermögen der Wohlhabenden schont.“

Linke: Gysi und Bartsch fordern „personelle Erneuerung“

7.39 Uhr: Die früheren Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Gregor Gysi fordern nach den verheerenden Wahlergebnissen einen Neustart an der Spitze ihrer Partei. „Ich sage es hier ganz offen, wir brauchen eine strukturelle, politische und personelle Erneuerung“, sagte Gysi mit Blick auf den Parteitag im Oktober. „Und wenn die nicht zustande kommt, sondern wir denken, wir machen weiter so, also wir bleiben bei 2,7 Prozent, auch anders übersetzt: Das würde natürlich eine Katastrophe.“ Bartsch sagte: „Die entscheidende Frage ist wirklich die, dass es eine Alternative gibt.“

Die Linke wird seit 2022 vom Duo Janine Wissler und Martin Schirdewan geführt. Sie verbuchten seither eine Serie von Wahlniederlagen. Anfang Juni hatte die Linke bei der Europawahl nur noch 2,7 Prozent der Stimmen erreicht. Schirdewan hatte zuletzt deutlich gemacht, dass er über einen Rückzug beim Parteitag im Oktober nachdenkt. „Ich werde rechtzeitig darüber informieren, ob ich noch einmal antrete“, sagte Schirdewan vergangene Woche dem „Tagesspiegel“. Ein „Weiter so“ könne es nicht geben.

Die ehemaligen Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch (l.) und Gregor Gysi.
Die ehemaligen Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch (l.) und Gregor Gysi. © DPA Images | Kilian Genius

Bartsch und Gysi ließen offen, ob sie selbst noch einmal bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren. Das sei noch nicht entschieden, sagte Bartsch (66). Es hänge auch von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Wahlrecht ab, sagte Gysi. Der 76-Jährige hatte bei der Wahl 2021 eines von drei Direktmandaten gewonnen, das der Linken über die sogenannte Grundmandatsklausel den Einzug in den Bundestag in Fraktionsstärke ermöglichte. Die Ampel-Koalition hat das Wahlrecht geändert und diese Klausel abgeschafft. Ob das rechtens ist, prüfen derzeit die höchsten Richter in Karlsruhe. 

Gysi und Bartsch waren zu unterschiedlichen Zeiten Fraktionschefs der Linken im Bundestag. Inzwischen haben sie in der Partei keine Funktion mehr, gelten aber als Stimmen von Gewicht. Die Linke hatte im Oktober mit Sahra Wagenknecht eine ihrer bekanntesten Politikerinnen verloren. Sie gründete das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und erzielte bei der Europawahl aus dem Stand 6,2 Prozent.

Politik-News vom 1. Juli – Jedes siebte Kind und Jugendlicher in Deutschland von Armut bedroht

13.41 Uhr: Rund jedes siebte Kind und jeder siebte Jugendliche war im vergangenen Jahr armutsgefährdet. Etwa 2,1 Millionen unter 18-Jährigen entspreche einer Armutsgefährdungsquote von 14 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Quote war dabei gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig, 2022 waren noch 15 Prozent der Minderjährigen armutsgefährdet.

Armut ist laut Bundesamt ein mehrdimensionales Phänomen und kann sich nicht nur in finanziellen, sondern auch in sozialen Faktoren niederschlagen. Im Jahr 2023 war demnach sogar knapp jede oder jeder vierte unter 18-Jährige in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.

Zwar sanken die Zahlen zuletzt, doch noch immer sind zahlreiche Kinder in Deutschland armutsgefährdet
Zwar sanken die Zahlen zuletzt, doch noch immer sind zahlreiche Kinder in Deutschland armutsgefährdet © DPA Images | Peter Kneffel

Insbesondere der Bildungsabschluss der Eltern spiele eine Rolle, erklärten die Statistiker. „Die Armutsgefährdungsquote von unter 18-Jährigen, deren Eltern über einen niedrigeren Bildungsabschluss wie einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss verfügten, lag 2023 in Deutschland bei 36,8 Prozent“, hieß es. Bei Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss wie Abitur oder einer Berufsausbildung waren rund 14,3 Prozent der Kinder gefährdet. Hatten die Eltern einen höheren Bildungsabschluss wie einen Meistertitel oder ein absolviertes Studium, lag die Quote nur noch bei 5,8 Prozent. 

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die aktuellen Zahlen hingegen für eine „massiv alarmierende Nachricht“. Kinderarmut stagniere im Großen und Ganzen. In einem so wohlhabenden Land wie in Deutschland könne es nicht sein, dass jedes vierte Kind diese Hypothek im Kinder- und Jugendalter zu tragen habe, sagte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der dpa. Er forderte dringlichst politische Maßnahmen: „Kein Kind ist allein in Armut, sondern das ist immer im Familienkontext. Das heißt, wir brauchen auch eine Verbesserung der Einkommenssituation von Familien insgesamt.“

Verfassungsschutz darf bayerische AfD weiterhin beobachten

11.12 Uhr: Der bayerische Verfassungsschutz darf die AfD weiterhin beobachten. Die Beobachtung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Landesamt für Verfassungsschutz ist nach einem am Montag verkündeten Urteil des Verwaltungsgerichts München rechtmäßig.

Die Richter wiesen damit eine Klage der bayerischen AfD zurück. Nach Auswertung des vorliegenden Materials und der dreitägigen mündlichen Verhandlung kamen die Richter der 30. Kammer zu dem Schluss, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD bestehen.

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Staatsanwaltschaft fordert Bewährungsstrafe für Thüringer AfD-Chef Höcke

11.07 Uhr: Die Staatsanwaltschaft hat im Prozess gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen des Verwendens einer verbotenen NS-Parole acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Die Bewährungszeit solle bei zwei Jahren liegen, sagte Staatsanwalt Benedikt Bernzen am Montag vor dem Landgericht in Halle. Zudem solle Höcke 10.000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung, zum Beispiel die KZ-Gedenkstätte Buchenwald, zahlen.

Haushaltsstreit: Verbände fordern Streichung unwirtschaftlicher Straßenprojekte

10.04 Uhr: Vor dem Hintergrund des Haushaltsstreits in der Bundesregierung haben Verbände und Gewerkschaften den Verzicht auf unwirtschaftliche Straßenneubauprojekte gefordert. Dadurch freiwerdende Milliardenbeträge könne „in die Sanierung und den naturverträglichen Ausbau der Schiene“ investiert werden, erklärten am Montag die Gewerkschaft Verdi, der BUND, die Klima-Allianz Deutschland und der Auto Club Europa (ACE). Grundlage ist eine von den Organisationen in Auftrag gegebene Studie, wonach der aktuelle Bundesverkehrswegeplan auf falschen oder überholten Berechnungen zur Verkehrsnutzung beruht.

Nach der vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft erstellten Studie werden die im Bundesverkehrswegeplan vorgesehenen Straßenbauprojekte „aufgrund der stark gestiegenen Baukosten deutlich teurer als ursprünglich geplant“. Somit rechneten sich viele Projekte nicht mehr. Daher sollten vor dem Hintergrund absehbar knapper Kassen im kommenden Jahr „etliche Projekte“ gestrichen werden - „und zwar konkret im Bereich Neu- und Ausbau von Straßen“. Die Studie sieht ein jährliches Einsparpotenzial von 2,5 Milliarden Euro.

In den Ausbau der Autobahnen sollen Milliarden an Bundesmitteln fließen.
In den Ausbau der Autobahnen sollen Milliarden an Bundesmitteln fließen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„Alle Infrastrukturprojekte umzusetzen, können wir uns schlicht nicht leisten, dafür fehlen uns Geld und Personal“, erklärte der ACE-Vorsitzende Stefan Heimlich. „Der Bundesverkehrsminister muss jetzt die Sanierung von Brücken und Straßen sowie den Schienenausbau priorisieren.“ Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt betonte: „Mit Blick auf die Haushaltslage darf nicht bei der Schiene gespart werden.“ Investitionen in die Bahn dienten auch „der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und sozialer Gerechtigkeit“.

Politik-News vom 30. Juni – Cannabis Social Clubs dürfen ab Montag Lizenz beantragen

17.08 Uhr: Schon seit April ist der Konsum von Cannabis unter bestimmten Umständen erlaubt - ab Montag können dann Anbauvereine, sogenannte Cannabis Social Clubs, an den Start gehen und eine Lizenz für den Anbau beantragen. Die Vereine dürfen höchstens 500 Mitglieder haben und maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag und 50 Gramm pro Monat an diese abgeben.

Außerdem dürfen sie an ihre Mitglieder Samen und Stecklinge für den Eigenanbau zu Hause weitergeben - und zwar bis zu sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat. Grundlage ist das neue Cannabisgesetz, das im Februar vom Bundestag beschlossen und im März vom Bundesrat gebilligt wurde. Mitglieder der Clubs können nur Erwachsene werden. Sind sie unter 21 Jahre alt, bekommen sie höchstens 30 Gramm pro Monat. 

AfD vertagt Entscheidung über Generalsekretär

15.57 Uhr: Die AfD hat die Entscheidung über die mögliche Schaffung eines Generalsekretärspostens vertagt. Die Delegierten auf dem Parteitag in Essen entschieden am Sonntag mit knapper Mehrheit, einen entsprechenden Antrag in den Satzungsausschuss zu überweisen. Er sieht eine Änderung der AfD-Satzung vor. Ursprünglich war darin die Einsetzung eines Generalsekretärs vorgesehen, wenn die AfD nur eine Spitze hat. Laut Satzung kann die AfD entweder von einem oder zwei Vorsitzenden geführt werden –derzeit ist es ein Duo. Der Antrag wurde vor dem Parteitag als möglicher Fingerzeig auf ein Ende der Doppelspitze zulasten von Parteichef Tino Chrupalla verstanden. 

Nachträglich wurde der Antrag nun auf dem Parteitag noch abgeändert und macht nun einen Generalsekretär auch bei zwei Parteichefs möglich. Die Delegierten hatten die Doppelspitze Alice Weidel und Tino Chrupalla am Samstag mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Damian Lohr, der für die Wahl eines Generalsekretärs warb, sagte, ein solcher könnte bei Kampagnen politischer Gegner „unser Schutzschild sein“. Außerdem hielten Generalsekretäre Parteivorsitzenden den Rücken frei.

Deutlicher Anstieg der deutschen Rüstungsexporte im ersten Halbjahr

8.57 Uhr: Nach einem Rüstungsexport-Rekord im vergangenen Jahr sind die Ausfuhrgenehmigungen im ersten Halbjahr 2024 wegen weiter zunehmender Waffenlieferungen in die Ukraine erneut deutlich gestiegen. Vom 1. Januar bis zum 18. Juni erlaubte die Bundesregierung die Lieferung militärischer Güter für mindestens 7,48 Milliarden Euro ins Ausland. Im Vergleich zum gesamten ersten Halbjahr 2023 bedeutet das ein Plus von gut 30 Prozent.

Fast zwei Drittel der Exporte (65 Prozent oder 4,88 Milliarden Euro) sind für die Ukraine bestimmt, die von Deutschland in ihrem Abwehrkampf gegen Russland unterstützt wird. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

Mitarbeiter bei Rheinmetall arbeiten an einer Kanone für den Kampfpanzer Leopard 2A4.
Mitarbeiter bei Rheinmetall arbeiten an einer Kanone für den Kampfpanzer Leopard 2A4. © DPA Images | Philipp Schulze

Unter den fünf wichtigsten Empfängerländern ist erstmals seit langem wieder Saudi-Arabien mit Exportgenehmigungen im Wert von 132,48 Millionen Euro. Für das mit harter Hand geführte Königreich galt wegen seiner Beteiligung am Jemen-Krieg und der brutalen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul über mehrere Jahre ein weitgehender Rüstungsexportstopp, den die Bundesregierung inzwischen gelockert hat. Außerdem unter den Top 5 Empfängerländern sind Singapur (1,21 Milliarden Euro), Indien (153,75 Millionen Euro) und Katar (100,0 Millionen Euro). 

'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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Die BSW-Politikerin Dagdelen kritisierte die anhaltende Ausweitung der Waffenlieferungen: „Die massive Steigerung der Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete, nicht nur in die Ukraine, sondern auch in Länder wie Saudi-Arabien, ist verantwortungslos und ein erneuter Bruch von Wahlversprechen durch die Ampel-Parteien“, sagte sie.

Die Politik-News aus der vergangenen Woche finden Sie hier.