Berlin/Brüssel. China und die EU suchen einen Ausweg, um Strafzölle auf chinesische E-Autos zu vermeiden – ein Erfolg auch für den Wirtschaftsminister.

Im Streit um Chinas Staatshilfen für seine Elektro-Autos in Europa droht ein Wirtschaftskrieg zwischen der EU und der Volksrepublik. Doch jetzt keimt Hoffnung, dass eine Eskalation des Konflikts verhindert werden kann: Bei den von der EU geplanten Strafzöllen auf chinesische E-Autos ist das letzte Wort noch nicht gesprochen – Brüssel und China wollen über Auswege verhandeln. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Wie kam es zu der Entspannung?

Durch eine abgestimmte Doppeloffensive aus Berlin und Brüssel: EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis und der chinesische Handelsminister Wang Wentao suchten am Samstag telefonisch nach einem Ausweg. In Brüssel war von einem „offenen und konstruktiven Gespräch“ die Rede. Zuvor hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Peking und Shanghai um eine Entschärfung des Streits geworben – unter anderem bei einem Treffen mit Wang. Habeck hatte sich eng mit der EU-Kommission abgestimmt und seinen Gesprächspartnern klargemacht, dass sich die EU-Staaten in diesem Streit nicht spalten lassen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Besuch in China.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei seinem Besuch in China. © DPA Images | Sebastian Christoph Gollnow

Der Minister berichtete, er habe während seiner Gespräche den Eindruck gehabt, dass er nach und nach „immer stärker durchgedrungen“ sei. Das gemeinsame Drängen mit dem EU-Handelskommissar hatte Erfolg: Peking und Brüssel einigten sich schließlich auf Verhandlungen. Das chinesische Handelsministerium bestätigte, dass sich beide Seiten verständigt hätten, Konsultationen über die Antisubventions-Untersuchung der EU aufzunehmen. Wann und in welchem Rahmen, blieb zunächst unklar. Habeck sagte: „Das ist noch lange kein Ergebnis, aber immerhin wird miteinander gesprochen.“

Wie sehen die Strafzoll-Pläne bisher aus?

Die EU wirft China unfaire und regelwidrige Staatshilfen für seine Autoindustrie vor und kündigte deshalb Anfang Juni an, Strafzölle von bis zu 38 Prozent auf die importierten E-Autos erheben. Die laufende Antisubventions-Untersuchung habe ausreichende Beweise ergeben, dass die Produktion von E-Autos in China „von unfairen Subventionen profitiert“ – zum Schaden der europäischen Hersteller.

China und EU vereinbaren Verhandlungen im E-Auto-Zollstreit

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    Die neuen Zölle sollen sich je nach Hersteller unterscheiden – abhängig davon, wie viel Staatshilfe den Firmen in China zugeflossen ist und wie gut sie mit der Kommission bei der Untersuchung zusammengearbeitet haben. Der chinesische Staatshersteller SAIC soll ab Juli mit 38,1 Prozent den höchsten Zoll bezahlen, die Hersteller Geely mit 20 Prozent und BYD mit 17,4 Prozent den niedrigsten Zoll.

    Allerdings räumt die Kommission eine Schonfrist ein: Bis November ist Zeit, eine andere Lösung zu finden, solange werden die Zölle ausgesetzt – ohne eine Einigung würden die Abgaben rückwirkend ab Juli erhoben. Habeck betonte, es handle sich nicht um pauschale Strafzölle, sondern um Zölle zum Ausgleich unfairer Wettbewerbsvorteile. Die EU-Kommission forderte am Wochenende, ein Verhandlungsergebnis müsse in jedem Fall wirksam gegen schädliche Subventionierungen sein.

    Was heißt die Wende für Verbraucher?

    Für Verbraucher wäre es eine gute Nachricht, wenn EU und China sich einigen würden und ein Wirtschaftskrieg vermieden werden kann. Nach Kommissionsangaben sind chinesische Elektroautos im Durchschnitt rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle. Das wird zwar kaum so bleiben, aber eine Verhandlungslösung dürfte die Autos nicht so verteuern wie Strafzölle. Die hätten nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) klar steigende Kaufpreise für Elektroautos zur Folge: Sie könnten zu einem Rückgang der Elektroauto-Importe aus China um rund 25 Prozent führen, schätzt IfW-Präsident Moritz Schularick.

    Roboter arbeiten in einer Schweißwerkstatt von Voyah, einer chinesischen Elektroautomarke, in Wuhan in der zentralchinesischen Provinz Hubei.
    Roboter arbeiten in einer Schweißwerkstatt von Voyah, einer chinesischen Elektroautomarke, in Wuhan in der zentralchinesischen Provinz Hubei. © DPA Images | Xiao Yijiu

    Der europäische Umwelt-Dachverband Transport und Umwelt (T & E) erwartet, dass ein Strafzoll „mittelgroße Fahrzeuge und SUVs teurer macht als vergleichbare europäische Modelle“. Kompakte SUVs und Oberklasse-Limousinen dürften trotzdem „etwas billiger bleiben“. Die Gewinnspannen für chinesische E-Auto-Verkäufe in Europa gelten als relativ hoch.

    Wie reagieren Politik und Wirtschaft?

    Wirtschaftsverbände in Deutschland begrüßten die Verhandlungsbereitschaft beider Seiten. Dass China sich nun wie die EU offen für Verhandlungen zeige, sei „ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer Lösung“, sagte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller. Ziel müsse ein fairer Wettbewerb für alle sein. „Beide Seiten sind nun dazu aufgerufen, die Verhandlungen offen und konstruktiv zu führen.“

    Lesen Sie auch den Kommentar: Strafzölle sind keine Lösung

    Auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) begrüßte die Verhandlungen: Niemand habe ein Interesse an unkontrollierten Eskalationen, erklärte der BDI. Die großen Autokonzerne in Deutschland, die zum Teil mehr als 30 Prozent ihrer Neuwagen in China verkaufen, hatten sich im Vorfeld gegen Strafzölle gewandt, weil sie negative Folgen für ihr China-Geschäft fürchteten.

    'Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion

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    Tatsächlich hatte die Regierung in Peking bereits mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht – dazu gehört ein Strafzoll auf europäische Oberklasselimousinen und SUV, was vor allem deutsche Autobauer treffen würde, und Auflagen für europäische Exporte im Agrar- und Luftfahrtsektor. Wegen der Bedeutung des chinesischen Marktes für die deutsche Autoindustrie hatte sich auch die Bundesregierung gegen die Kommissionspläne gestellt. Die Regierung konnte die Pläne in Brüssel zwar nicht verhindern, aber durchsetzen, dass bis zu deren Inkrafttreten noch eine Schonfrist bis Anfang Juli gilt, die für Verhandlungen genutzt werden soll.