Berlin. Egal ob Handyvertrag, Online-Shopping oder Kredit: Man braucht die Schufa. Jetzt soll es einen drastischen Einschnitt geben.

Vor wenigen Unternehmen in Deutschland fürchten sich die Menschen so sehr, wie vor der Schufa. Entscheiden ihre Produkte, sogenannte Scores, doch mit über Online-Einkäufe, Kredite, Mobilfunk- und Mietverträge. Jetzt plant die Auskunftei aus Wiesbaden einen drastischen Einschnitt: Die Kriterien werden vereinfacht, künftig soll es nur noch einen einzigen Score statt vieler verschiedener geben. Einen, den auch Verbraucher einfach verstehen können.

'Thüringen - Der Tag' - Post von Jan Hollitzer

TA-Chefredakteur Jan Hollitzer betrachtet Themen, die uns beschäftigt haben, es momentan tun und künftig werden in kommentierter Form.

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„Unser Anspruch ist hohe Präzision bei guter Verständlichkeit“, sagt Tanja Birkholz, Chefin der Schufa. Seit etwa drei Jahren wandelt sich die Schufa, will offener werden, vor allem für Verbraucher. Das soll das Bild des Unternehmens aus Wiesbaden verbessern – und langfristig einige Menschen auch dazu bewegen, der Schufa freiwillig Daten zu geben. Am meisten werde die Auskunftei gefragt, wie man seinen Score verbessern könne, sagt Birkholz. Das geht in der Regel über zusätzliche Daten.

Die Schufa bewertet, wie hoch das Risiko ist, dass ein Kunde seine Rechnung nicht bezahlt oder einen Kredit nicht bedienen kann. Dafür wird ein Score errechnet. In die Formel fließen Informationen etwa zu bestehenden Krediten ein und ob jemand bereits einmal nicht zahlen konnte. Bisher ermittelt die Schufa allerdings nicht einen Score, sondern bis zu 20 verschiedene – mit unterschiedlichen Daten, die unterschiedlich gewichtet werden. So gibt es einen Score für den Handel, einen für Telekommunikation und einen für Banken. Letzterer wird am häufigsten genutzt.

So soll der Schufa-Score künftig aussehen

Künftig soll es für alle nur noch einen Score geben. Das Modell wird radikal vereinfacht, soll nicht mehr nur für Statistiker verständlich sein, sondern auch für Verbraucherinnen und Verbraucher. Dabei verspricht die Schufa, dass der neue Score genauso präzise ist wie die alten – wichtig für Schufa-Kunden wie Banken, Telekommunikationsfirmen, Händler, die den Score verwenden, um über Verträge zu entscheiden.

EuGH: Schufa-Score darf nicht maßgeblich für Kreditwürdigkeit sein

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    Allein in die sechs Branchenscores fließen mehr als 50 verschiedene Faktoren ein, wie Andre Muhle sagt, bei der Schufa verantwortlich für den neuen Score. Künftig reichen 10 bis 15 aus. Welche Daten sich auf den Score auswirken, will er nicht sagen. Wahrscheinlich fließen Informationen zu Ratenkrediten, Hypotheken und Zahlungsausfällen ein. Adressdaten sollen wie bisher auch nicht verwendet werden. Wie sie den Score genau berechnet, verrät die Schufa nicht – Geschäftsgeheimnis wie bisher. Künstliche Intelligenz wird jedenfalls ausdrücklich nicht eingesetzt, weil die Technologie die Komplexität wieder erhöht hätte.

    In Zukunft soll man Kreditwürdigkeit durchspielen können

    Derzeit testen die Experten den neuen Score auch bei Unternehmen. Ende 2024 soll er fertig sein. Dann dauere es wohl ein bis zwei Jahre, bis er am Markt eingeführt wird, sagt Birkholz. Unter anderem Banken müssen sich den neuen Score zertifizieren lassen, die Bankenaufsicht Bafin wird ihn sich genauer anschauen. Das dauert. Perspektivisch soll es dann nur noch den neuen Score geben, andere wird die Schufa dann nicht mehr ermitteln. Nicht vereinheitlicht werden die gut 30 Scores, die die Auskunftei jeweils für ein Unternehmen entwickelt hat.

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    Ist der neue Score etabliert, können auch die Bundesbürger dessen Ergebnis einsehen. Derzeit haben sie nur Zugriff auf einen sogenannten Basisscore, eine Art Durchschnitt aller Schufa-Scores. Ihn nutzen die Unternehmen aber nicht, er ist ausschließlich dazu da, Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren. Umstellen will die Schufa auch den Score-Simulator. Mit ihm können Interessierte ausprobieren, wie ihre Kreditwürdigkeit unter bestimmten Umständen aussieht. Allgemeine Angaben sind nötig zur Zahl der Kreditkarten oder der Laufzweit des Girokontos – dann errechnet der Simulator einen Score-Wert zwischen 0 und 100, wobei 97 ein sehr guter, 50 ein schlechter Wert ist. Das Programm zeigt auch, unter welchen Bedingungen sich der Score verschlechtern oder verbessern würde.

    Die Schufa hat zudem ihre Internetseite überarbeitet. So ist das Angebot der Auskunftei inzwischen in einfacher Sprache zu finden und auf Englisch. Eine türkische Version wird gerade vorbereitet. Zudem lässt sich das Unternehmen jetzt mit wenigen Klicks digital über vereinheitlichte Formulare anfragen. Das vereinfache auch ihnen die Arbeit, sagte Schufa-Chefin Birkholz. Bisher kämen die meisten Anfragen per Post oder E-Mail, teils so formuliert, dass man oft nachfragen müsse.

    Schufa sammelt Daten von 68 Millionen Deutschen

    Die Auskunftei hat Daten von 6,4 Millionen Firmen und rund 68 Millionen Bundesbürgern gesammelt. Nach eigenen Angaben sind für mehr als 90 Prozent ausschließlich positive Informationen gespeichert. Täglich erreichen die Schufa 340.000 Anfragen von Firmen, die einschätzen wollen, ob sie Geschäft mit einer Kundin oder einem Kunden machen wollen. Die Unternehmen dürfen die Scores nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht ausschließlich und vollautomatisiert nutzen, um Verträge abzuschließen. Bei Banken fließen in der Regel noch Informationen etwa zum Girokonto ein oder darüber, wie das Wertpapierdepot aussieht.

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    Die Schufa wurde 1927 als Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung gegründet und ist die größte und wichtigste Auskunftei dieser Art in Deutschland. Sie gehört zu jeweils mehr als einem Viertel den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen. Den Rest halten vor allem Geschäftsbanken. Das Wiesbadener Unternehmen beschäftigt rund 1000 Mitarbeiter und setzte im vergangenen Jahr 276 Millionen Euro um.