Thomas Beilner berichtet aus dem Hörsaal

„Warum besuchen Sie meine Vorlesung?“ Auf diese Frage antwortete mir vor längerer Zeit einer meiner Studierenden: „Ich möchte verstehen, wie ich schnell Kohle machen kann!“. Meine flapsige Reaktion darauf: „Die Universität Erfurt bietet Ihnen keinen Fachbereich für den Kohleabbau an und bei Interesse bitte in das Ruhrgebiet fahren“. Meine bessere Antwort wäre wohl gewesen, dass man an der Börse „Kohle“ nur mit viel Sitzfleisch, Fleiß und Geduld verdienen kann, denn die Suche nach der persönlichen und damit richtigen Geldanlage ist nicht einfach.

Diese Fehler können Sie bei der Geldanlage machen

Schnelles Geld: Der erste Fehler ist bereits in der studentischen Antwort formuliert: es werden Anlagevorschläge gesucht, um schnell Geld zu verdienen. Das funktioniert selten. Die Lizenz für das schnelle Geld gibt es nicht. Natürlich wäre es wunderbar, immer zum richtigen Zeitpunkt die richtige Aktie zu einem niedrigen Kurs zu kaufen und zum richtigen Zeitpunkt zu einem hohen wieder zu verkaufen. Damit werden gezielt unterbewertete Titel gesucht, deren höherer Unternehmenswert nicht im aktuellen Kurswert enthalten ist. Die Bestimmung des Unternehmenswertes setzt aber eine umfangreiche fundamentale Analyse und Bewertung des Geschäftsmodells, Managements, der Perspektiven für die Branche, des Gesamtmarktes sowie der Unternehmens- und Prognosekennzahlen des jeweiligen Unternehmens voraus. Aus der Analyse wird ein künftiger Zahlungsstrom entwickelt, der, abgezinst auf den heutigen Zeitpunkt, den „fairen Wert“ der Aktie ergibt. Gegenübergestellt zum börslichen Kurswert, kann eine Über- oder Unterbewertung ermittelt werden. Aber ist dies schon ein „heißer Tipp“?

Heiße Tipps: Nein. Unrealistische Renditeerwartungen, die auf keiner fundierten, persönlichen Basis stehen, sind keine vernünftige Anlagestrategie. Wie beim Kauf eines Autos, muss durch Fleiß- und Rechenarbeit auch bei der Geldanlage eine persönliche Konfiguration zum Produktangebot vorgenommen werden. Möchte man gezielt in Einzeltitel investieren oder reichen Fonds sowie kostengünstige Exchange Traded Funds (ETF), die einen Gesamtmarkt abbilden? Wie schätzen Sie die unternehmensspezifischen, branchenspezifischen Risiken, die Zins- und Währungsrisiken aber auch die gesamtwirtschaftliche, politische Entwicklung ein?

Wer bin ich? Damit betritt der dritte Fehler in der Geldanlage die Bühne: es ist die mangelnde Kenntnis über die wahre eigene Risikoeinstellung, die zu einer planlosen, nicht erfolgreichen Geldanlage führen kann. Selbstkritische Fragen an die eigene Person sind notwendig: welche persönlichen Erfahrungen habe ich in den Anlageprodukten, wie lange soll der Anlagebetrag in diesem Produkt gebunden sein oder benötige ich die Flexibilität der jederzeitigen Verfügbarkeit? Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist, welches zeitliche Engagement man persönlich in die Anlagepolitik neben den anderen täglichen Verpflichtungen einbringen möchte. „Kauf nur das, was Du auch verstehst!“, so lautet eine einfache Regel der Geldanlage. Sie müssen sich mit Ihrem Geldengagement wohl fühlen. Darum soll die Anlage zunächst so einfach wie möglich und beherrschbar sein, um Erfahrungen sammeln zu können, um sich später komplexeren Anlageinstrumenten zu nähern. Eine höhere Rendite ist nie ohne zusätzliches Risiko möglich. Sind Sie damit flexibel genug, auch Verluste aushalten zu können oder muss ein bestimmter Geldbetrag ungeschmälert zu einem künftigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen?

Hin und her: Der vierte Fehler folgt der alten Börsenregel „Hin und her macht Taschen leer“. Gemeint ist das häufige Umschichten der Geldanlage von einem Anlageinstrument in ein anderes, verbunden mit den damit anfallenden Kosten, die den Erfolg einer Geldanlage schmälern. Auch wird dadurch die Gefahr größer, gezielt in aufsteigende Märkte zu kaufen und fallende zu verkaufen.

Aber die Fehler können Sie in Chancen verwandeln

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Das magische Dreieck: Das magische Dreieck der Geldanlage, bestehend aus den Kriterien Rendite, Sicherheit und Liquidität und bietet Ihnen eine erste Einschätzung zu Ihrer persönlichen Risikotragfähigkeit. Die einzelnen Kriterien stehen in einem Spannungsfeld zueinander und haben negative Wechselbeziehungen.  Eine hohe Rendite bei gleichzeitiger hoher Sicherheit und Liquidität gibt es nicht. Eine hohe Renditeerwartung in Form von Dividenden, Zinsen, Kursgewinnen geht immer mit riskanteren Anlageinstrumenten einher, die geringere Sicherheit und Liquidität liefern. Das muss man mögen. Stehen eine hohe Liquidität und Sicherheit des investierten Betrages im Vordergrund, bedingt dies eine geringe Rendite. So gilt es, den Erhalt des investierten Kapitals mit den Risiken der Kapitalanlage abzugleichen. Ihre persönliche Risikoeinstellung bestimmt, wie Sie materielle mögliche Verluste aus dem Anlageinstrument heraus persönlich bewerten. Das magische Dreieck der Geldanlage liefert Ihnen dabei eine Hilfestellung.

Diversifikation: Diversifikation bedeutet, den Anlagebetrag über verschiedene Anlageklassen wie Aktien, festverzinsliche Wertpapiere und Liquidität zu strukturieren, nach dem Motto: „Lege nie alle Eier in einen Korb!“. Ist nämlich alles in Aktien investiert, ist der Anlageerfolg ausschließlich auf diese Anlageklasse konzentriert. Sinnvoller ist es darauf zu achten, dass die Anlageklassen untereinander möglichst wenig korreliert sind. Dies bedeutet, dass sie unterschiedlich auf Gesamtmarkttendenzen reagieren, in der Summe aber ein stabileres Ergebnis erbringen als bei einer Konzentration auf nur eine Anlageklasse. Ziel der Diversifikation ist es, die Verlustmöglichkeiten zu minimieren und Wertschwankungen während des Anlagezeitraums zu reduzieren. Die prozentuale Aufteilung auf die einzelnen Anlageklassen ist Ihre Entscheidung und davon abhängig, welchen Betrag Sie risikoärmer und welchen Sie risikoreicher anlegen wollen.

Börsenführerschein: Gewinnen Sie Erfahrungen mit Geldanlagen und beachten Sie im Vorfeld einige Aspekte: Wie lange möchte ich das Geld anlegen? Welchen prozentualen Anteil hat Ihre Geldanlage an Ihrem Gesamtvermögen? Dient die Geldanlage dem Vermögensaufbau und müssen Sie hier die Chancen und Risiken sorgsam abwägen oder haben Sie bereits ein größeres Vermögen, dass Ihnen Notfälle absichert und Lebensqualität sichert, so dass Sie mit einem Teil davon höhere Risiken in der Geldanlage eingehen können? Welche Erfahrungen haben Sie in dem jeweiligen Anlageprodukt und verstehen Sie dessen Chancen und Risiken? Fragen Sie sich auch selbstkritisch, was passieren würde, wenn der Anlagebetrag nur noch die Hälfte ausmacht. Wie fühlen Sie sich dabei? Starten Sie bei Ihrer Geldanlage so einfach, kostengünstig und beherrschbar wie möglich, aber starten Sie!

Mit diesem Börsenführerschein in der Tasche werden Sie persönlich erleben, dass mit einigen grundlegenden Vorüberlegungen und einer planvollen Vorgehensweise es möglich sein kann, doch an der Börse „Kohle zu machen“.

Thomas Beilner ist Honorarprofessor für Finanzmarkttheorie an der Universität Erfurt. Sie erreichen den Autor unter thomas.beilner@uni-erfurt.de